Senkung des Umwandlungssatzes ist kein Thema mehr | Schweizer Personalvorsorge
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Aus dem Bundeshaus

Senkung des Umwandlungssatzes ist kein Thema mehr

Wenn eine Gesetzesrevision an der Urne scheitert, folgt üblicherweise ein neuer Anlauf – insbesondere dann, wenn das Anliegen als dringlich gilt. Diesmal ist es anders: Nach den 67% Nein-Stimmen vom 22. September 2024 und dem dritten Scheitern in Folge scheint der Reformeifer erlahmt zu sein. Das ergaben auch die Hearings, die Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider mit Interessenvertretungen durchführte. Eine Anpassung der gesetzlichen Leistungsparameter ist derzeit kein Thema.

06.05.2025
Lesezeit: 4 min

«Natürlich ist der Umwandlungssatz von 6.8% zu hoch», sagt Nico Fiore, «dagegen anzukämpfen, wäre jedoch in der aktuellen Lage eine reine Verschwendung der Ressourcen», so der Geschäftsführer von Inter-Pension, dem Verband der Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen.

Wohl wäre laut Nico Fiore eine Ver­besserung der Situation für Teilzeitan­gestellte, Geringverdiener und junge ­Versicherte begrüssenswert. Aber eine einseitige Leistungsverbesserung kann er nicht unterstützen. 

«Keine einseitige Anpassung»
Auch Barbara Zimmermann-Gerster vom Schweizerischen Arbeitgeberverband sagt: «Wir akzeptieren, dass das Schweizer Volk die BVG-Reform abgelehnt hat und der gesetzliche Mindestumwandlungssatz damit nicht gesenkt wurde. Wir wehren uns aber gegen einen systemfremden Ausbau des BVG.» Will heissen: keine einseitige Anpassung des Koordinationsabzugs oder der Eintrittsschwelle ohne gleichzeitige Anpassung des Umwandlungssatzes. Ebenfalls lehnen sie einen obligatorischen Teuerungsausgleich oder den Einbezug von unbezahlter Care-Arbeit in der 2. Säule ab. 

Es sei nun an den Vorsorgeeinrichtungen, den zu hohen gesetzlichen Umwandlungssatz mit Massnahmen im überobligatorischen Bereich abzufedern.

Automatischer ­Teuerungs­ausgleich
Auf der linken Seite hingegen sind die Forderungen dokumentiert: automatischer Teuerungsausgleich, stärkere Berücksichtigung von Care-Arbeit sowie Verbesserungen für Mehrfachbeschäftigte und Teilzeitarbeitende. Forderungen, für die weder der Pensionskassenverband ASIP noch der Arbeitgeberverband Hand bieten – zumindest nicht ohne gleichzeitige Anpassungen auf der Leistungsseite.

Gabriela Medici vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund fordert darüber hinaus, die Digitalisierung voranzutreiben und einheitliche Standards einzuführen – etwa bei den Versicherungsausweisen. Dann sollte nach ihrer Auffassung endlich auch brauchbares Datenmaterial zur Verfügung stehen. Die vom Bundesamt für Statistik oder von der Oberaufsichtskommission berufliche Vorsorge publizierten Zahlen seien ungenügend. 

Ungesunder Wettbewerb
Ein grundlegendes strukturelles Problem sieht Medici zudem bei den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen: Der daraus resultierende Wettbewerb gehe auf Kosten der Versicherten.

«Wettbewerb entschleunigen», schrieb auch PK-Netz-Geschäftsführerin Eliane Albisser in der Aprilausgabe von Schweizer Personalvorsorge. «Mit aufwand­basierten, von den Arbeitgebern bezahlten Entschädigungen kann der Wett­bewerb griffig entschleunigt werden.»

Interessant ist immer auch die Haltung von Alliance F. Der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen hatte sich klar für die BVG-Revision ausgesprochen. Laut Co-Präsidentin Kathrin Bertschy, Nationalrätin der Grünliberalen aus Bern, wird sich Alliance F weiterhin für eine Reduktion des Koordinationsabzugs bzw. für einen linearen Koordinationsabzug einsetzen. Ob das mit oder ohne Ausbau des BVG geschehen soll, ist man sich innerhalb der Gruppierung uneinig.

Nur kosmetische Eingriffe
Statt die Wurzel allen Übels anzugehen, eben den zu hohen gesetzlichen Min­destumwandlungssatz, sind in naher und mittlerer Zukunft eher kosmetische Eingriffe zu erwarten. In dieses Kapitel ­gehört auch die Motion 25.3368 von Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner. Er will in der Begünstigtenordnung alle Kinder gleichstellen. 

Konkret: Mit einer Gesetzesänderung von Art. 20a BVG soll in der weitergehenden beruflichen Vorsorge auf die Unterscheidung zwischen obligatorisch rentenberechtigten Kindern und übrigen Kindern verzichtet werden. Damit würde die ­Voraussetzung geschaffen, um im über­ob­ligatorischen Bereich allfällige über­obligatorische Todesfallkapitalien gleichmässig an alle Kinder der verstorbenen Person auszurichten. 

Evaluation der Strukturreform 
Zurück zu den strukturellen Problemen, wie sie Gabriela Medici angesprochen hat. Schon von der Strukturreform gehört? Richtig. Das war vor über zehn Jahren. Nach einem zehnjährigen Vorgeplänkel trat sie 2011 in Kraft. Ziel war eine stärkere Aufsicht. So entstand die Oberaufsichtskommission berufliche Vorsorge (OAK BV) mit alt Nationalrat Pierre Triponez als erstem Präsidenten. 

Zehn Jahre nach Inkrafttreten der Strukturreform fand die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler, es sei an der Zeit, das Erreichte evaluieren zu lassen. Mit dem Postulat 21.3877 forderte sie einen Bericht, der Massnahmen zur Weiterentwicklung aufzeigen soll. Aufgrund der enormen Herausforderungen sei das nötig, befand Melanie Mettler, die inzwischen das Bundesparlament verlassen hat, um sich als Exekutivpolitikerin um die Finanzen der Bundesstadt zu kümmern.

Der Bundesrat teilte die Einschätzung der Bernerin und beantragte am 25. August 2021 die Annahme des Postulats. Der Nationalrat hatte auch nichts dagegen und stimmte in der Herbstsession 2021 dem Postulat zu. 

Seither ist Funkstille. Doch wenn ein Postulat nach zwei Jahren noch nicht erfüllt ist, muss der Bundesrat der Bundesversammlung in einem jährlichen Bericht an die zuständigen Kommissionen darlegen, was er bisher unternommen hat und wie er den Auftrag zu erfüllen beabsichtigt. So will es Art. 124 Abs. 4 des Parlamentsgesetzes (Parl.G).

So steht im Bericht des Bundesrats vom 1. März 2024 über Motionen und Postulate im Jahr 2023: «Die Forschungsarbeiten sind im Gang. Sie werden als Grundlage für den Bericht des Bundesrats ­dienen, der für die zweite Hälfte 2024 geplant ist.»

Nun, 2024 ist vorbei. Beim Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) heisst es jetzt, der Bericht sei «in Erarbeitung» und werde «voraussichtlich gegen Ende Jahr» erscheinen. 

Und noch etwas: Oben wurde der gesetzliche Mindestumwandlungssatz als die Wurzel allen Übels bezeichnet. Man kann es auch anders sehen: Das Hauptproblem der 2. Säule ist nicht der Umwandlungssatz, nicht der Koordinationsabzug, nicht die Benachteiligung der Frauen – es ist dessen Komplexität. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.