Oder warum Sammeleinrichtungen Antidepressiva nehmen sollten | Schweizer Personalvorsorge
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Oder warum Sammeleinrichtungen Antidepressiva nehmen sollten

Betrübliche 20% der Schweizer Bevölkerung leiden an Depressionen. 10% weisen sogar mittelschwere bis schwere Depressionssymptome auf. Falls Sie sich fragen, ob auch in Ihrem Umfeld jemand betroffen sein könnte, dann halten Sie nach Frauen (12%) und jungen Menschen (19%) Ausschau. Personen ab 65 Jahren können Sie hingegen getrost ausser Acht lassen. In dieser Bevölkerungsgruppe leiden nämlich gerade einmal 4% an Depressionen. Eine saftige Rente macht eben offenbar glücklich.

12.05.2025
Lesezeit: 3 min

Sollte es in Ihrem Umfeld jedoch weniger glückliche, von Depression betroffene Menschen geben, so dürften Sie das möglicherweise an den Inhalten Ihrer Gespräche mit der Person bemerken. Die nämlich wiederholen sich. In Endlosschleife. Immer und immer wieder die immer selben Sorgen und Probleme, immer wieder von vorne. Problemendlosschleifen aber sind vor allem eines: nicht hilfreich. Sie kosten Kraft, die fürs Handeln fehlt, und sie führen in ihrer Monotonie zu keiner Lösung. Echt jetzt.

Monoton ist übrigens auch alles, was mir zur Themenvorgabe für diesen Text einfällt: Aktuelle Herausforderungen für Sammeleinrichtungen. Immer wieder Zinsumfeld. Immer und immer wieder demografischer Wandel. Immer und immer und immer wieder digitale Transformation. Immer wieder regulatorische und rechtliche Änderungen. Immer und immer wieder Vertrauen und Transparenz. Immer und immer und immer wieder Risikomanagement. Immer wieder von vorne. Immer und immer und immer wieder. Echt jetzt?

Das anhaltend niedrige Zinsniveau stellt Sammelstiftungen vor die Herausforderung, ausreichende Renditen zu erzielen, um ihre Versprechen gegenüber den versicherten Personen zu erfüllen. In einem Umfeld, in dem sichere Anlagen nur geringe Erträge abwerfen, sind sie gezwungen, riskantere Anlageklassen zu berücksichtigen, womit neben der Ertragschance auch das Verlustrisiko steigt. Immer wieder Zinsumfeld also.

Steigen tut auch unsere Lebenserwartung. Zusammen mit der Überalterung der Gesellschaft führt dies dazu, dass die Zahl der Rentenbeziehenden wächst, während die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Damit Sammelstiftungen langfristig und generationengerecht funktionieren können, müsste also länger gearbeitet, mehr angespart und weniger Rente ausbezahlt werden – wofür sich in einer überalternden Bevölkerung keine Mehrheit finden lässt. Immer und immer wieder demografischer Wandel.

Damit Sammelstiftungen langfristig und generationengerecht funktionieren können, müsste also länger gearbeitet, mehr angespart und weniger Rente ausbezahlt werden – wofür sich in einer überalternden Bevölkerung keine Mehrheit finden lässt.

Sammelstiftungen stehen im Wettbewerb zueinander. Sie versuchen immerzu, so viele Arbeitgebende und Versicherte wie möglich für sich zu gewinnen. Nur so erreichen und erhalten sie Vorteile am Anlagemarkt, und nur so meinen sie überlebensfähig zu sein. Eine steigende Zahl an Arbeitgebenden und Versicherten lässt sich für die Sammelstiftungen aber nur dann bewerkstelligen, wenn moderne Technologien Effizienzgewinne bringen und die Verwaltung vereinfachen. Das wiederum bedeutet Kosten. Kosten, die von den versicherten Personen zu tragen sind. Rentnerinnen und Rentner bleiben – zu ihrem Glück – verschont von Kosten und Depressionen. Immer und immer und immer wieder digitale Transformation also.

Sammelstiftungen müssen sich regelmässig an Änderungen in Regulation und Gesetzgebung anpassen, gerne auch rückwirkend. Das bringt grossen Aufwand mit sich, den die versicherten Personen berappen müssen. Weshalb Rentnerinnen und Rentner weniger depressiv sind, wissen Sie ja bereits. Immer wieder regulatorische und rechtliche Änderungen gleichwohl.

Dass Regulation und Gesetzgebung immer wieder verschärft werden, kommt nicht von ungefähr. Wo Wettbewerb herrscht, herrscht auch Druck, sind die Anreize für Fehlverhalten und Manipulation gross. Nicht umsonst wurde das Vertrauen in Finanzinstitutionen immer wieder erschüttert. Als solche müssen Sammelstiftungen deshalb transparent und verantwortungsvoll arbeiten, um das Vertrauen ihrer Mitglieder und der Öffentlichkeit zu wahren. Auch das eine regulatorische Vorschrift übrigens. Immer und immer wieder Vertrauen und Transparenz jedenfalls.

Wenig vertrauenerweckend ist die aktuelle geopolitische Lage. Angesichts der vielfältigen globalen Unsicherheiten wie politischen Krisen, Pandemien und Klimawandel müssen Sammelstiftungen ihr Risikomanagement ständig weiterentwickeln, um auch in Krisenzeiten alle Rentenansprüche bedienen zu können. Dass Menschen jenseits der 65 aus gutem Grund weniger Sorgen haben, wurde eingangs ja bereits erwähnt. Immer und immer und immer wieder Risikomanagement immerhin.

Zinsumfeld, demografischer Wandel, digitale Transformation, regulatorische und rechtliche Änderungen, Vertrauen und Transparenz, Risikomanagement. Immer und immer und immer wieder. Immer wieder von vorne. In Endlosschleife. Einer Endlosschleife, für die nicht nur bei Depressionsbetroffenen, sondern auch bei Pensionskassen gilt: nicht hilfreich. Stattdessen hiesse es, die ausgetretenen Gedankenschleifen zu verlassen und ins Handeln zu kommen. Doch vermutlich hatte Albert Einstein Recht, indem er gesagt haben soll, dass sich Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen lassen, durch die sie entstanden sind. Weil das aber ein allzu deprimierendes Schlusswort wäre, zitieren wir ihn lieber wie folgt: „Nur wer von Herzen negativ denkt, kann positiv überrascht sein“.

 

Nur wer von Herzen negativ denkt, kann positiv überrascht sein.

red. Die Kolumne erscheint auch in unserem E-Paper «Fokus Vorsorge», das sich explizit an SGE und ihre Anschlüsse richtet.