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Echt jetzt?

Oder warum Pensionskassen queer denken

20.03.2024
Lesezeit: 3 min

Vor einigen Monaten wurde ich gebeten, über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Pensionskassen zu referieren. Voll- und teilautonome Pensionskassen, Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen sowie die verschiedenen Mischformen und Kombinationsarten. Um die Pointe vorwegzunehmen: Glauben Sie keiner Statistik zu Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen. Selbst dann nicht, wenn Sie sie selbst gefälscht haben (sagt man doch so, oder?).

Eigentlich ist gerade die Unterscheidung zwischen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen so klar wie einfach. Dennoch steht beispielsweise in einem meiner früheren Arbeitszeugnisse, dass ich für die Sammelstiftung gute Dienste geleistet habe, obwohl es sich zweifelsohne um eine Gemeinschaftseinrichtung handelte. Die Begründung: „Das schreiben wir immer schon so.“ Und damit ist mein früherer Arbeitgeber in guter Gesellschaft. Eine Gemeinschaftseinrichtung, die sich sogar auf ihrer Webseite als Sammelstiftung tituliert, begründete dies auf Nachfrage damit, dass sie „im Herzen eben eine Sammelstiftung“ sei. Echt jetzt? Echt jetzt.

Das legt nahe, dass auch Statistiken wiedergeben, was diejenigen Pensionskassen, die sich als Sammelstiftung fühlen, so für Angaben machen. Ganz zu schweigen von den Angaben der Pensionskassen, die sowohl Sammel- als auch Gemeinschaftseinrichtung sind. Offenbar ist die LGBTQ-Diskussion nun also auch in der Welt der Pensionskassen angekommen. Allerdings ganz anders als erwartet, nämlich nicht auf Ebene der Versicherten. Vielmehr fehlt den gängigen Pensionskassenstatistiken allem Anschein nach eine Kategorie für Trans-Stiftungen (solche bspw., die sich – immer schon – als Sammelstiftung bezeichnen oder fühlen, obwohl sie eine Gemeinschaftseinrichtung sind) und nichtbinäre Stiftungen (solche Stiftungen also, die sich nicht ausschliesslich als Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung identifizieren). Glauben Sie daher keiner Statistik zu Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen, die beide Arten von Stiftungen binär unterscheidet, die Daten könnten nicht aussagekräftig sein.

Apropos binär unterscheiden: Was unterscheidet Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen denn nun?

Nehmen wir an Ihre Arbeitgeberin überlegt, ob sie sich einer Sammel- oder aber einer Gemeinschaftseinrichtung anschliessen soll. Bei einer Gemeinschaftseinrichtung würde dies bedeuten, dass die Arbeitgeberin mit all ihren Mitarbeitenden im grossen Ganzen der Gemeinschaftseinrichtung aufgeht. Aufgehen meint, dass für alle Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden dieselben Bedingungen gelten. Es besteht ein einheitliches Vorsorgereglement, das vom Stiftungsrat definiert wird. Der Stiftungsrat wird aus dem Kreis aller angeschlossenen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden gewählt, ohne dass Ihre Arbeitgeberin dort zwingend vertreten wäre. Der Stiftungsrat entscheidet sodann über alle wesentlichen Elemente Ihrer beruflichen Vorsorge: Nicht nur das Vorsorgereglement, auch die Verzinsung und den Umwandlungssatz, den technischen Zins und die Anlagestrategie legt der Stiftungsrat fest; all diese Parameter gelten für alle Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden innerhalb der Gemeinschaftseinrichtung gleichermassen. Damit bilden alle Arbeitgeber und Arbeitnehmenden, die dieser Gemeinschaftseinrichtung angeschlossen sind, auch eine Solidargemeinschaft. Werden die Mitarbeitenden einer Bürogummi-Firma beispielsweise besonders oft invalid, weil das Unternehmen keine ergonomischen Arbeitsplätze bietet, so tragen alle anderen Firmen und deren Mitarbeitenden diese Invaliditätsfälle mit. Erreichen die Mitarbeitenden eines Yoga-Studios dank meditativer Arbeitsbedingungen wiederum biblisches Alter, so wird auch diese Langlebigkeit von allen anderen Firmen und Versicherten mitfinanziert. Alle Risiken werden von allen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden innerhalb der Gemeinschaftseinrichtung gesamthaft getragen: der Bürogummi unterstützt den greisen Yogi, der Yogi den buckligen Bürogummi.

Ganz anders bei einer Sammelstiftung. Dort badet jede Firma als eigenes Vorsorgewerk selbst aus, wenn ihre Mitarbeitenden am billigen Schreibtisch „Rücken bekommen“ oder nach einem Arbeitsleben voller Kontemplation unerhört alt werden. Getragen werden diese Risiken nämlich in erster Linie vom jeweiligen Vorsorgewerk: Die Yogis kommen nicht für die rückengeschädigten Bürogummis auf, die Bürogummis nicht für die greisen Yogi. Da scheint es nur naheliegend, dass die jeweilige Firma mit den zugehörigen Mitarbeitenden auch mehr Mitsprachemöglichkeit erhält. So legt das Vorsorgewerk innerhalb eines definierten Rahmens üblicherweise die Verzinsung und den Umwandlungssatz selbst fest. Oft entscheidet das Vorsorgewerk auch über Bestandteile seines Vorsorgereglements, manchmal sogar über Anlagestrategie, Depotbank oder auch Rückversicherung. So hat das Yoga-Studio möglicherweise einen tieferen Umwandlungssatz als die Bürogummi-Firma, obschon beide derselben Pensionskasse zugehören.

Wie man nun aber als Gemeinschaftseinrichtung im Herzen eine Sammelstiftung sein kann, dafür fällt mir partout kein schlüssiges Beispiel ein. Vielleicht aber denke ich dafür nur einfach nicht queer genug?