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Gibt es ihn, oder gibt es ihn nicht?

14.02.2024
Lesezeit: 4 min

Als Kind haben wir uns diese Frage zum Samichlaus und Osterhasen gestellt. Die wahre Antwort haben wir eventuell von unseren Eltern, eher aber von unseren Mitschülern oder Geschwistern irgendwann einmal erfahren. Meist wurden wir für unseren Irrglauben ausgelacht.

In diesem Artikel geht es aber schon saisonbedingt weder um den Samichlaus noch um den Osterhasen. Thema ist der Januar-Effekt an den Aktienbörsen, bekannter unter der Bezeichnung «Januar-Rallye». Als ich am Jahresende 2023 die unzähligen Wirtschafts-, Zins- und Börsenprognosen in meinem E-Mail-Account sah, fragte ich mich, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Januar-Rallye auch tatsächlich stattfindet und ob dieser Effekt auch auf dem Schweizer Aktienmarkt beobachtet werden kann.

Im Jahr 1942 hat der amerikanische Investment Banker Sydney Wachtel den Januar-Effekt erstmals anhand der Entwicklung der Aktienkurse von kleineren Unternehmen (Small-/Mid-Caps) in der Periode von 1925 bis 1942 nachgewiesen. Ob diese Datenreihe genügte, um seine These wissenschaftlich zu beweisen, darf bezweifelt werden. Solider kommen die Analysen von Haugen und Laknishok in ihrem Buch «The Incredible January Effect» daher. Sie umfassen die Periode zwischen 1927 und 2001. Ihre Konklusion: Die Aktienperformance kleinerer Unternehmen war im Januar jeweils mehr als doppelt so hoch wie im nächstbesseren Monat (Juli).

Als einer der Hauptgründe für den Januar-Effekt wird das Steuermanagement genannt. Anleger würden demnach kurz vor Jahresende Aktienpositionen verkaufen, auf denen sie Verluste erzielt haben, um sie mit Gewinnen an anderer Stelle zu verrechnen und so die Kapitalertragssteuer zu senken. In dem Fall müsste aber der Dezember tendenziell ein schlechter Monat sein, was aber noch niemand behauptet hat. «Window Dressing» am Jahresende wird oft als Grund genannt, weshalb der Effekt bei kleineren Firmen, nicht aber bei grossen, nachgewiesen werden kann. Bei kleineren Firmen lässt sich der Börsenkurs einfacher beeinflussen. Aber auch in dem Fall müsste konsequenterweise der Dezember ein schlechter Börsenmonat sein.

Mich hat interessiert, ob der Januar-Effekt auch am Schweizer Aktienmarkt beobachtet werden kann. Eine einfache Analyse, ohne wissenschaftlichen Anspruch, für die Periode 1988 bis 2023 des Swiss Performance Index (SPI) sowie für die Periode 1996 bis 2023 für den SPI Small-/Mid-Caps-Index brachte die Ernüchterung: Beim SPI lag das Verhältnis aller Monate mit positiver Performance gegenüber solchen mit negativer Performance bei insgesamt 1.65 zu 1, während diese Analyse für die Januare nur gerade ein Verhältnis von 1.12 zu 1 ergab. Der Januar war der drittschlechteste Monat in dieser Analyse, also schon fast eine Antithese. Bei den Small-/Mid-Caps-Aktien ergab sich ein ähnliches Positiv-zu-negativ-Verhältnis von 1.9 zu 1 für alle Monate gegenüber 1.8 zu 1 für die Januare. Vom Januar-Effekt findet sich in unserem Land also keine Spur.

 

Die durchschnittliche April-Rendite war mehr als doppelt so hoch wie im nächstbesseren Monat. Als mögliche Erklärung dafür könnten vielleicht die aufkommenden Frühlingsgefühle herhalten.

Welches sind denn aber die besten und welches die schlechtesten Börsenmonate in der Schweiz? Am besten schnitt in meiner Kurzanalyse für den SPI gesamt wie für den SPI Small-/Mid-Caps der April ab. Die durchschnittliche April-Rendite war mehr als doppelt so hoch wie im nächstbesseren Monat. Als mögliche Erklärung dafür könnten vielleicht die aufkommenden Frühlingsgefühle herhalten. Stimmt in der Schweiz also die bekannte Börsenregel «Sell in May and go away»? Die theoretische Antwort wäre Ja, müsste der Anleger nicht entscheiden, in welchem Monat er wieder in Aktien investieren soll. Dazu gibt es keinen konsistenten Zusatz zur besagten Verkaufsempfehlung. Je nach dem liest man «but make sure to come back in September», oft wird aber auch «October» oder gar «November » geschrieben. Dummerweise hat sich aber der September in der Schweiz über die letzten 36 Jahre als der schlechteste Börsenmonat entpuppt. Er brachte empfindliche Verluste. Auch der Oktober performte unterdurchschnittlich. Erst der November rangiert wieder unter den lukrativsten drei Börsenmonaten des Jahres.

Nach dieser Analyse könnte es mir wie Goethes Faust gehen: «Da steh’ ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor!» Zum Glück gibt es aber noch Börsenweisheiten, die mehr als nur einen wahren Kern beinhalten, zum Beispiel: «Wer mit Aktien Geld verdienen will, macht dies nicht mit dem Kopf oder mit dem Bauch, sondern mit dem Hintern, indem er möglichst lange darauf sitzen bleibt», «Hin und her macht Taschen leer» oder wie André Kostolany meinte: «Kurzfristig ist es riskant, in Aktien zu investieren, langfristig ist es riskant, nicht in Aktien zu investieren.»

Den Januar-Effekt gibt es bei uns also ebenso wenig wie den Samichlaus oder den Osterhasen. Der erfreuliche Unterschied zu meiner Kindheit ist, dass ich das selbst herausgefunden habe und mich deshalb niemand wegen Naivität auslachen kann.