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Aus dem Bundeshaus

Der Stiftungsrat müsste selbst entscheiden können, wie er das Kapital verzinsen will

Artikel 46 BVV 2 ist umstritten. Nun will der Ständerat Anpassungen vornehmen; das Hauptproblem wird damit aber nicht gelöst. Und: Das Hauptziel bei der Begünstigtenordnung ist laut Bundesrat der Ausgleich der wegfallenden Unterstützung. Das kann mitunter zu Ungerechtigkeiten führen. Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner will das ändern.

02.07.2025
Lesezeit: 4 min

Der Ständerat ist nicht bekannt dafür, sich für einfache, verständliche Vorschriften starkzumachen. Die Mitte-Ständeräte erst recht nicht. So gesehen ist es nichts als konsequent, dass die kleine Kammer am verunglückten Art. 46 BVV2 festhalten will. Sie unterstützte in der ­zurückliegenden Sommersession die ­entsprechende Motion 24.3372 von Mitte-Ständerat Erich Ettlin.

Laut Art. 46 BVV2 dürfen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen bei nicht vollständig geäufneten Wertschwankungsreserven Leistungsverbesserungen gewähren, wenn: 
a. höchstens 50% des Ertragsüberschusses vor Bildung der Wertschwankungsreserve für die Leistungsverbesserung verwendet werden; 
b. die Wertschwankungsreserve mindestens zu 75% des aktuellen Zielwerts geäufnet ist. 

Verbandseinrichtungen sind von dieser Regelung ausgenommen. Und gemäss Mitte-Ständerat Erich Ettlin sollten auch öffentlich-rechtliche Pensionskassen davon befreit werden. So sagte er in der Sommersession: Art. 46 wolle verhindern, «dass Vorsorgeeinrichtungen den Destinatären zu hohe Zinsen geben – quasi als Werbemassnahme, um neue Unternehmen anzuschliessen –, und dabei die finanzielle Sicherheit der Pensionskassen und der bestehenden Destinatäre gefährden». Bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen von Kantonen oder Gemeinden spiele dieser Wettbewerb nicht. 

Nationalrat will Klarheit
Der Ständerat befasste sich zum zweiten Mal mit dieser Motion, nachdem er sie schon in der Sommersession 2024 gutgeheissen hatte. Verantwortlich für diese zweite Runde ist der Nationalrat. Er stimmte in der Frühjahrssession der Motion nur in abgeänderter Form zu, indem er die Vorschrift nicht nur für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen, sondern für alle Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen aufheben will.

Damals sagte Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner, Art. 46 BVV2 habe teilweise zu Unklarheiten geführt. «Die Frage, was genau unter Leistungsverbesserung zu verstehen ist, wird nämlich unterschiedlich und individuell interpretiert.» Mit der Streichung des Art. 46 würde eine Verzerrung aufgehoben und klare Verhältnisse geschaffen. 

Doch für den Ständerat geht die Version des Nationalrats zu weit. Ettlin betonte im Namen der Kommission, einzig öffentlich-rechtliche Kassen sollten ausgenommen werden, da sie dem Marktdruck ­weniger ausgesetzt seien.

Rechsteiner: «Das Grundproblem wird nicht gelöst»
Die Motion geht nun zurück an den Nationalrat. Die zuständige Kommission wird sie am 28. August 2025 beraten. Thomas Rechsteiner kündigte auf Anfrage an, dass er die Vorlage ablehnen werde, da sie das Grundproblem nicht löse. 

Er bezweifelt, dass Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen überhöhte Leistungsversprechen machen, die ihre finanzielle Stabilität gefährden könnten. Vielmehr seien diese Einrichtungen bestrebt, nur Anschlussverträge abzuschliessen, die keine übermässig hohen Rentner­bestände enthielten – aus Gründen der finanziellen Stabilität. Rechsteiner verweist zudem auf die funktionierende Aufsicht: Jährliche, detaillierte Prüfungen durch mehrere Instanzen gewährleisten die Sicherheit des Systems.

Gamper: «Es braucht eine Regulierung»
Laut Silvan Gamper, PK-Experte bei der Beratungsgesellschaft C-alm, braucht es eine Regulierung in diesem Bereich, aber eine andere. Der Stiftungsrat müsste ­selber entscheiden können, wie er das Kapital verzinsen will. Gleichzeitig müsste er Richtlinien definieren und ein Verzinsungskonzept erarbeiten, das vom PK-Experten abgesegnet und von der Aufsicht begutachtet wird. So gäbe man dem Stiftungsrat die Freiheit zurück, die Höhe der Verzinsung selber festzulegen, wenn er sich auf ein genehmigtes Konzept berufen könne. Das wäre eine liberalere Lösung, die nicht direkt in die Entscheidungskompetenz des Stiftungsrats eingreift und dank dem Konzept trotzdem die gebührende Sicherheit gewährt.

Die jetzt gültige Vorschrift hat laut ­Gamper den Makel, dass der Stiftungsrat willkürlich eingeschränkt wird. Die gesetzlich verordnete Obergrenze der Verzinsung nehme keine Rücksicht auf die individuelle Situation der Kasse. «Es kann gute Gründe geben, dass eine Kasse bei 105 Prozent vielleicht schon ein bisschen mehr Zins gibt und eine andere nicht», sagt Gamper. Jetzt werde aber die Obergrenze arbiträr hergeleitet, was häufig einer optimalen Lösung im Weg stehe. 

Und doch: Dass für einzelne Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen ein Anreiz besteht, bei der Verzinsung zu übertreiben, ist laut Gamper nicht von der Hand zu weisen. Solange das BSV keine bessere Alternative hat, soll man den Verordnungsartikel nicht streichen, sagt er, die öffentlich-rechtlichen Kassen aber davon ausnehmen. 

Ungerechtfertigte Begünstigtenordnung
Anderes Thema: Der Appenzeller Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner will in der Begünstigtenordnung alle Kinder gleichstellen. Das verlangt er mit der ­Motion 25.3368. So soll in der weiter­gehenden beruflichen Vorsorge die Unterscheidung zwischen obligatorisch rentenberechtigten Kindern und übrigen Kindern aufgehoben werden. 

Rechsteiner zeigt an zwei Beispielen, wie die gesetzliche Kaskadenordnung innerhalb einer Familie zu Ungleichbehandlungen führen kann:

Beispiel 1: Kind A ist 17 Jahre und 11 Monate alt, Kind B ist 20 Jahre alt und berufstätig. Nach der heutigen Regelung erhält Kind A noch für einen Monat eine Waisenrente; das höhere Todesfallkapital bekommt allein das Kind B.

Beispiel 2: Kind A ist 24 Jahre und 11 Monate alt und in Ausbildung; Kind B ist wie im Beispiel eins 20 Jahre alt und berufstätig. Und doch geht das gesamte Todesfallkapital an Kind A, da es nachweisen kann, dass es vom Versicherten unterstützt wurde. Kind B ist wegen der Kaska­denordnung ausgeschlossen.

Ausgleich des Versorgungsschadens
Hauptziel der 2. Säule, so der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 28. Mai 2025, sei der Ausgleich der wegfallenden Unterstützung. «Das Risiko eines Versorgungsschadens ist für Waisen bis zum Alter von 25 Jahren, die ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, deutlich grösser als für erwachsene Kinder, die beruflich und finanziell auf eigenen Beinen stehen.» 

Eine einheitliche Gesetzesbestimmung wäre laut Bundesrat wegen der äusserst vielfältigen Familienkonstellationen und des unterschiedlichen Vorsorgebedarfs zu starr. Immerhin räumt er ein, dass es zu unbefriedigenden Situationen kommen könne. Sollte der Erstrat der Motion zustimmen, wolle der Bundesrat im Zweitrat beantragen, den Vorstoss in einen Prüfantrag abzuändern. 

Dies nimmt Thomas Rechsteiner wohlwollend zur Kenntnis, wie er auf Anfrage erklärt. Ob eine gesetzliche Regelung mehr Ungerechtigkeiten bringe, werde sich bei den Beratungen zeigen.